5. Open-Access-Publizieren

vorgelegt von Ben Kaden (Humboldt-Universität zu Berlin) und Michael Kleineberg (Humbolt-Universität zu Berlin)

Das Prinzip der Offenheit

In der Satzung des DHd heißt es, dass der Verband danach strebt “den freien Zugang und die freie Nutzung von Wissensbeständen und Verfahren (Open Access, Open Source) zu fördern”.[15] Mit diesem Bekenntnis zum Open-Access-Gedanken wird das Prinzip der Offenheit in einem weiten Sinne verstanden, wie es die wissenschaftspolitische Forderung einer Offenen Wissenschaft (Open Science bzw. Open Scholarship) ausdrückt.[16] Dies meint nicht nur den freien Zugang, sondern auch das Recht auf Vervielfältigung, Nachnutzung und Weiterverarbeitung von Inhalten. Dabei sollen diese Rechte nicht auf publizierte Forschungsergebnisse beschränkt bleiben, sondern prinzipiell auch für zu Grunde liegende Forschungsdaten (Open Research Data), Zusatzmaterialien (Open Extra Material), Softwareanwendungen (Open Source) sowie für in der Lehre eingesetzte Bildungsressourcen (Open Educational Resources) gelten. Darüber hinaus sollen Offenheit und Transparenz auch für Begutachtungsverfahren (Open Review) sowie Evaluations- und Kreditierungsverfahren (Open Metrics) gefördert werden.

Das Prinzip der Offenheit dient vor allem zwei Hauptanliegen der Wissenschaft im Allgemeinen und der Digital Humanities im Besonderen. Einerseits soll der Nachvollzug von Forschungsergebnissen gewährleistet werden, weshalb nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Prozesse der Forschung transparent sein sollten einschließlich der Forschungsdaten (z.B. Textkorpora) und Softwareanwendungen (z.B. Algorithmen für Textmining) sowie entsprechender Qualitätssicherungsverfahren. Andererseits soll die (Nach-)Nutzung von Wissensbeständen und Verfahren sowohl innerhalb als auch außerhalb der Wissenschaft möglichst effektiv und effizient gestaltet und mögliche Mehrfachfinanzierungen vermieden werden.

Open-Access-Strategien

Man unterscheidet für Open-Access-Veröffentlichungen zwei grundlegende Publikationsstrategien.[17] Erstens den “goldenen Weg” im Sinne einer Erstveröffentlichung bei einem Open-Access-Verlag beispielsweise als Artikel in einer Open-Access-Zeitschrift, als Open-Access-Monografie oder als Beitrag in einem Open-Access-Sammelwerk und zweitens den “grünen Weg” im Sinne einer Zweit- bzw. Parallelveröffentlichung (Preprint, Postprint) von Verlagsveröffentlichungen. Diese Form der Selbstarchivierung findet zumeist auf einem institutionellen oder disziplinären Open-Access-Repositorium statt, mitunter jedoch auch auf der eigenen Homepage, der Projektwebsite oder in sozialen Wissenschaftsnetzwerken. Vielfach wird zudem von einem so genannten “grauen Weg” gesprochen, bei dem verlagsunabhängig und in der Regel ohne ein Qualitätssicherungsverfahren auf einem Open-Access-Repositorium erstveröffentlicht wird, wobei der Status als Veröffentlichung analog zu dem der so genannten “grauen Literatur” umstritten bleibt. Desweiteren verfolgen einige Institutionen die Strategie, den “goldenen Weg” unabhängig von kommerziellen Verlagen gewissermaßen in Eigenregie (z.B. durch Verlagsgründung) bzw. mittels Dienstleistungen von Drittanbietern (z.B. alternative Publikationsplattformen) umzusetzen wie zum Beispiel die Open Library of Humanities. Während beim “goldenen Weg” die Nutzungs- bzw. Verwertungsrechte zumeist durch einen Verlagsvertrag geregelt sind und gegebenenfalls durch die Autorinnen und Autoren mit Hilfe expliziter Lizenzierungsformen (z.B. Creative Commons, Open Data Commons) spezifiziert werden können, bleibt bei dem “grünen Weg” eine Zweitveröffentlichung in der Regel von der Genehmigung des Verlages abhängig (zur Regelung des Zweitveröffentlichungsrechtes siehe unten).[18] Bei Forschungsdaten und Zusatzmaterialien, die auch unabhängig von der eigentlichen Ergebnis- oder Schlusspublikationen veröffentlicht werden können, bieten sich vor allem spezielle Open-Access-Forschungsdatenrepositorien an, die eigenständige persistente Indentifikatoren (z.B. DOI, URN) vergeben sowie die Möglichkeit entsprechende Lizenzierungen zu spezifizieren.[19]

Finanzierungs- bzw. Geschäftsmodelle

Da Open-Access-Publikationen zwar nicht auf der Rezeptionsseite, aber sehr wohl auf der Produktions- und Angebotsseite mit Kosten verbunden sind, werden verschiedene Finanzierungs- bzw. Geschäftsmodelle unterschieden.[20] Beispielsweise werden bei dem Author-Pays-Modell die Kosten von den Autorinnen und Autoren bzw. mittelbar von ihren jeweiligen Institutionen getragen durch eine Publikationsgebühr (Article Processing Charge) analog zu den traditionellen Druckkostenzuschüssen. Spezielle Publikationsfonds, bei denen die Autoren die Beteiligung an Publikationskosten beantragen können, sind eine Möglichkeit, die Übernahme der APCs institutionell zu regeln. Teilweise übernehmen Institutionen oder Verbände auch die Gesamtkosten pauschal. Ein umstrittenes Finanzierungsmodell stellt das so genannte Hybrid-Open-Access dar, bei dem ein einzelner Artikel einer Closed-Access-Zeitschrift mit einer Gebühr “frei gekauft” wird. Kritiker weisen darauf hin, dass in diesem Fall eine Mehrfachfinanzierung (Double Dipping) durch die öffentliche Hand droht, da einerseits die Open-Access-Gebühr anfällt und andererseits die ohnehin zumeist von Bibliotheken getragene Subskription der Zeitschrift, die in der Regel in sogenannten Paketen erfolgt, so dass eine selektive Abbestellung entsprechender Titel nicht möglich ist. Desweiteren gibt es das sogenannte Freemium-Modell, bei dem die Grundversion einer Publikationen Open Access erscheint und bei Bedarf eine kostenpflichtige Version mit Zusatzfunktionen bzw. Zusatzmaterial zur Verfügung steht.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Open-Access-Publikationen sind an rechtliche Rahmenbedingungen gebunden, die im deutschsprachigen Raum vor allem durch das jeweilige deutsche, österreichische bzw. schweizerische Urheberrechtsgesetz vorgegeben werden.[21] Während das Urheberrecht selbst unveräußerlich ist, können einfache oder ausschließliche Nutzungsrechte übertragen werden. Üblicherweise werden bei Verlagsverträgen exklusive Rechte übertragen, was einer zusätzlichen Open-Access-Publikation im Sinne des “grünen Weges” entgegensteht. Daher empfiehlt die Scholarly Publishing and Academic Resources Coalition (SPARC) bei Verlagsverhandlungen einen Zusatz auszuhandeln, der weitere Verwertungsoptionen sowie etwaige Sperrfristen regelt.[22] Weitere Einschränkungen des Urheberrechtes sind durch das Zitatrecht, das Zweitveröffentlichungsrecht sowie die im Zusammenhang mit der deutschen Urheberrechtsreform diskutierte Bildungs- und Wissenschaftsschranke möglich. Allerdings gelten diese Regelungen eher als restriktiv. So ist zum Beispiel das Zitatrecht bei Texten auf einen geringen prozentualen Anteil limitiert und bei Bildern (Lichtbilder bzw. Lichtbildwerke) ebenfalls stark eingeschränkt, insbesondere für eine mögliche Weiterverarbeitung und Vervielfältigung im Sinne von Open-Access-Publikationen. Auch das Zweitveröffentlichungsrecht, das als ein Instrument zur Förderung des “grünen Weges” von Open-Access-Publikationen angesehen werden kann, bleibt deutlich hinter den Erwartungen der Autorinnen und Autoren zurück.[23]

Lizenzierungsformen

Für Open-Access-Publikationen kann eine Spezifizierung der Nutzungs- bzw. Verwertungsrechte mit Hilfe von Open-Content-Lizenzen vorgenommen werden wie beispielsweise der Creative-Commons-Lizenz (CC), der Free Documentation Licence der GNU-Initiative (GFDL), den Digital Peer Publishing Lizenzen oder der Open-Data-Commons-Lizenz.[24] Die Rechteinhaber/innen sind damit in der Lage die komplizierten und international nicht einheitlichen Regelungen des Urheberrechtes bzw. Copyright Laws durch eine leicht handhabbare, transparente und allgemein verständliche Vergabe von Rechten und Pflichten zu ersetzen. Ein Beispiel für Open-Content-Lizenzierungsformen bieten die weitverbreiteten Creative Commons:[25]

BY             Namensnennung

BYND         Namensnennung-KeineBearbeitung

BYNC         Namensnennung-NichtKommerziell

BYNCND     Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung

BYNCSA     Namensnennung-NichtKommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen

BYSA         Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen

Best-Practice-Beispiele

Open-Access-Sammelwerk:

Open-Access-Journals:

Open-Access-Verlag für Monografien:

Open-Access-Publikationsplattformen:

Open-Access-Repositorien:

Open-Access-Textkorpus:

Open-Access-Edition:

  • Kaufmann, Thomas: Kritische Gesamtausgabe der Schriften und Briefe Andreas Bodensteins von Karlstadt, Teil I (1507-1518). Editiones Electronicae Guelferbytanae. Wolfenbüttel 2012 (http://diglib.hab.de/edoc/ed000216/start.htm).

Empfehlungen

DH-Community:

  • Autorinnen und Autoren sollten sich über die Bandbreite der möglichen Publikationsstrategien sowie über ihre Spielräume bei der Aushandlung von Verlagsverträgen (z.B. Vertragszusätze) bewusst sein.

  • Es wird ein aktives Open-Access-Publizieren einschließlich offener Forschungsdaten empfohlen.

  • Die Möglichkeiten der (Nach-)Nutzung von Publikationen und Forschungsdaten sollten über urheberrechtliche Regelungen hinaus durch Open-Content-Lizenzen explizit gemacht werden.

  • Die Spezifizierung von Open-Content-Lizenzen sollten möglichst wenig restriktiv sein, sondern so frei und offen wie möglich (z.B. CC-BY oder CC-BY-SA).

  • Autorinnen und Autoren sollten im Rahmen des Zweitveröffentlichungsrechtes ihre Verlagspublikationen zusätzlich als Open-Access-Publikation zur Verfügung stellen.

  • Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten ihrerseits Open-Content-Angebote (z.B. Open Research Data, Open Extra Material, Open Source) nachnutzen.

  • Für die Akzeptanz von Open-Access-Publikationsstrategien sollten hohe Standards für Qualitätssicherungsverfahren etabliert werden.

  • Autorinnen und Autoren sollten für Open-Access-Publikationen kreditiert werden.

Politik:

  • Der Normalfall bei der Rechteübertragung an Verlage sollte nicht mehr in einer automatischen Übertragung von ausschließlichen, sondern von einfachen Nutzungsrechten bestehen.

  • Mit der Einführung einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke des Urheberrechts sollten auch Möglichkeiten für einen freien Zugang vergleichbar der Fair-Use-Regelung des US Copyright Law entwickelt werden.

  • Das bestehende (deutsche) Zitatrecht insbesondere für Lichtbilder bzw. Lichtbildwerke sowie Ton- bzw. Filmaufnahmen sollte wissenschaftsfreundlich erweitert werden.

  • Das bestehende (deutsche) Zweitveröffentlichungsrecht sollte im Sinne der Autorinnen und Autoren liberalisiert werden.

  • Die Grundausrichtung einer offenen Wissenschaft (Open Science/Open Scholarship) sollten nachhaltig gefördert werden.

Förderinstitutionen und Forschungseinrichtungen:

  • Die wissenschaftspolitischen Vorgaben und Empfehlungen hinsichtlich einer offenen Wissenschaft (Open Science/Open Scholarship) sollte konsequenter gefördert und umgesetzt werden.

  • Für Bibliotheken sollte eine anteilige Umwidmung von Erwerbungsmitteln zur Finanzierung offener digitaler Publikationen möglich sein.

  • Die Etablierung von institutionellen Publikationsfonds zur Finanzierung der Autorengebühren von Open-Access-Publikationen sollte gefördert werden.

  • Es sollten fachkulturelle Anreizsystemen für Open-Access-Infrastrukturen entwickelt werden, insbesondere Prozesse zur Standardisierung bzw. Interoperabilität.

  • Infrastrukturleistungen (z.B. Aufbau eines Open Journal System; Programmieren von Softwareanwendungen) sollten mehr Anerkennung finden und bei der Kreditieren entsprechend berücksichtigt werden.

Verlage:

  • Verlage sollten zeitgemäße und möglichst modularisierte Dienstleistungen für digitale Publikationen entwickeln und anbieten.

  • Open-Access-Angebote von Verlagen sollten nicht nur auf den Zugang (Leserecht) beschränkt bleiben, sondern auch das Recht auf Vervielfältigung, Weiterbearbeitung und Langzeitarchivierung einschließen.

  • Kommerzielle Geschäftsmodelle sollten Mehrfachfinanzierungen (Double Dipping) durch die öffentliche Hand verhindern.


Kommentare

Fussnote 16 fehlt, Anker ist ausgelegt, es fehlt etwas, aber was ?

Vielen Dank für den Hinweis, der Fussnotentext ist nun ergänzt.